Mensch contra Rebhuhn?

Es ist Krieg in Europa und der betrifft uns alle. Die Kommune unternimmt große Anstrengungen, um geflüchteten Menschen eine Unterkunft zu bieten. Wir spüren die Auswirkungen, wenn wir tanken oder einkaufen: Die Preise sind gestiegen. Sogar die Sorge um Lebensmittelknappheit scheint einige von uns umzutreiben. So stellte die CDU in der vergangenen Gemeinderatssitzung die Anfrage, was die Gemeinde tun könne, damit unseren Landwirten mehr Anbauflächen zur Verfügung stehen. Und der Lösungsansatz wurde gleich mitgeliefert: Flächen, die für den Schutz der Rebhühner und Insekten reserviert sind, zur Disposition stellen. Oder sei das Rebhuhn etwa wichtiger als der Mensch, lautete in etwa die Frage.

Nun ist es ja sicherlich keine schlechte Idee, sich Gedanken zu machen, wie man mehr Flächen für den Anbau von Nahrungsmitteln gewinnen kann. Zumal in vielen armen Ländern dieses Jahr durch Ernteausfälle in der Ukraine und hohe Getreidepreise eine Hungersnot droht. Aber ist es sinnvoll dafür Naturschutz- oder Ausgleichsflächen zu opfern, sei es in Kernen oder deutschlandweit? Gibt es keine anderen Möglichkeiten? Sicherlich! Hier ein paar Fakten: In Kernen gehen demnächst in Lange Äcker III 2,7 Hektar fruchtbarste Ackerböden für Straßen und Firmengebäude verloren, mit Zustimmung der CDU. Autobahnen werden in ganz Deutschland weiter fleißig ausgebaut, trotz proklamierter Mobilitätswende. Unserem Kraftsoff Super-E10 wird 10 Prozent Biokraftstoff beigemischt. Dieser wird hauptsächlich aus Futtergetreide und Industrierüben, die auch auf unseren Feldern angebaut werden, hergestellt. Ähnlich ist es bei Mais, welcher für Biogasanlagen benötigt wird. Für die Viehzucht werden rund 60 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland benötigt, so das Bundesinformationszentrum für Landwirtschaft. Etwas weniger als die Hälfte der Futterbauflächen sind Dauergrünland, der andere Teil Ackerland. Und laut WWF landen jährlich 18 Millionen Tonnen Lebensmittel in unserem Land in der Mülltonne. Das sind mehr als 200 Kilogramm pro Einwohner. Es gibt also genügend Ansätze, um mehr Lebensmittel auf unsere Teller zu bekommen. Die Politik und jeder einzelne von uns müssen es nur wollen und dementsprechend handeln.

Die biologische Vielfalt, also der Reichtum der Natur, ist das vielleicht wichtigste Gut unseres Planeten. Diesen Reichtum unnötig und leichtfertig aufs Spiel zu setzen ist in unseren Augen der völlig falsche Ansatz.

Matthias Kramer, OGL Kernen